Post by Thomas GrüskePost by Gerhard WiesenfeldtSolcher Art Modediktat halte ich in der Tat für genauso verkehrt wie
Ignoranz ob der eigenen Kleidung.
"Modediktat" ist an dieser Stelle ein Missverständnis. Es ist nicht mehr
und nicht weniger als eine Konvention bezüglich korrekter Kleidung.
Aber was ist die Konvention?
Wenn jemand ein "Handbuch der klassischen Herrenmode" - und darum ging es
ja hier - schreibt, dann kann er entweder eine Untersuchung über
Kleidungsgeschmack in der Gegenwart voranstellen, oder das, was er für
Konvention hält, als eben diese setzen. Der von Dir zitierte Artikel
erweckte zumindest den Eindruck von letzterem, und das halte ich in der Tat
für ein Modediktat. Dort steht ja nicht: "Das Zeigen nackter Haut am Bein
wird oft als unpassend empfunden", sondern es ist von einer "ehernen Regel"
die Rede: "Tragen Sie immer Kniestrümpfe und niemals Socken".
Post by Thomas GrüskeEs
geht dabei gerade nicht darum, sich irgend einer Mode zu unterwerfen,
sondern darum, sicher sein zu können, nicht unangenehm aufzufallen, und
das bei möglichst vielen, wenn nicht allen, Gelegenheiten des
gesellschaftlichen Lebens.
Auch damit habe ich, was Modegeschmack angeht, so meine Probleme. Es geht
für mich eben nicht darum, nicht unangenehm aufzufallen, sondern ich möchte
lieber Leuten begegnen, die mir mit ihrer Kleidung positiv auffallen, und
das in der Kneipe genauso im Büro wie beim Bundespresseball, sollte ich
dort jemals auftauchen. Die Leute, die Schlips und Anzug in einer Weise
anziehen, die überdeutlich machen, dass sie das nur aufgrund der Weisung
ihres Arbeitgebers tun (oder weil es halt Konvention ist), stören mich
deutlich mehr als Leute in weißen T-Shirts und ebensolchen Socken.
Post by Thomas GrüskeAlso nicht die Vorschrift, bestimmte Dinge
anziehen zu *müssen*, sondern die Information, mit welcher Kleidung die
größtmögliche Sicherheit besteht, in jedem Fall nicht "falsch" angezogen
zu sein, also gegen keine Konvention zu verstoßen.
Da sind wir dann bei Bourdieu und dem "feinen Unterschied", das nämlich die
eigentliche Kunst darin besteht, sich über Konventionen hinwegzusetzen ohne
unangenehm aufzufallen.
Post by Thomas GrüskePost by Gerhard WiesenfeldtDies zu tun, halte ich für ein Gebot
der Höflichkeit, bestimmte Kleidung bei anderen Leuten grundsätzlich als
"inakzeptabel" zu bezeichnen, dagegen eher für das Gegenteil.
IBTD. Es kommt wie so häufig darauf an.
O.k., im Thread ging es aber um die Pauschalaussage: "T-Shirt unter
(krawattenlosem) Hemd" sei inakzeptabel, unabhängig vom Ort. Derartige
Formulierungen halte ich - insbesondere eingedenk der fehlenden
Farbattributierung - für inakzeptabel, nicht die Aussage, dass
Birkenstocksandalen auf dem Bundespresseball inakzeptabel wären.
Gruß,
Gerhard